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Teichgeschichten

Rund um die Teiche und den Lausitzer Fisch gibt es viel Spannendes zu berichten. Opa Fischer Frank erzählt oft von Abenteuern und Erlebnissen, die sich hier so zutragen.  
Was, ihr kennt das Geheimnis der alten Lupe noch nicht?
Na dann hört mal zu ...

Das Geheimnis der alten Lupe

Es ist ein wundervoll sonniger Tag im Erlebnis-Fischereihof. Franzi ist gerade mit ihrem liebsten Hobby beschäftigt: dem Erforschen der großen und kleinen Teichlebewesen. Im Eimer schwimmen ihre winzigen Flohkrebse. Um sie besser ansehen zu können, braucht Franzi eine Lupe, von denen sie eigentlich sogar 2 besitzt – eine ganz schicke alte Becherlupe und eine moderne kleine Lupe.

Doch immer, wenn Franzi eine braucht, ist keine von beiden auffindbar! Franzi ist ein kluges und neugieriges Mädchen, und bestimmt wird sie später einmal Teichwirtin oder Biologin. Ihre große Schwäche ist jedoch, dass sie ständig etwas verbummelt. Und so waren auch gestern mal wieder beide Lupen weg, obwohl Franzi alles auf den Kopf gestellt hatte, um sie zu finden! Aber weil sie gerade ein ganz aufregendes kleines Tier untersuchen wollte, musste sie unbedingt eine Lupe haben! Was sollte sie nur tun?

Sie war in das Büro von ihrem Opa Frank, der hier als Teichwirt arbeitet, geschlichen und hatte sich heimlich dessen alte Lupe aus dem Schreibtisch genommen. Franzi wusste, dass sie das eigentlich nicht durfte, denn seit Jahren machte Opa Frank ein großes Geheimnis um diese alte Lupe. Irgendeine Geschichte gab es da, die er ihr jedoch erst erzählen wollte, wenn Franzi groß genug dafür wäre! Doch Franzi ist groß! 9 Jahre ist sie alt – und sie platzt vor Neugierde!

Gestern jedenfalls wollte sie die alte Lupe einfach mal ausprobieren, der Opa brauchte ja nichts davon zu erfahren ... In die Jackentasche hatte sie sie gesteckt und eigentlich müsste sie da jetzt noch sein ... Franzi fährt der Schreck durch alle Glieder. Wo ist die Lupe? Beide Jackentaschen sind leer. Im benachbarten Teich steht ihr Opa und scheint von alledem noch nichts mitbekommen zu haben.
„Suchen!“, schießt es Franzi durch den Kopf. Und schnell läuft sie los. Eine große Runde über den ganzen Fischereihof wird sie drehen und die Gäste dabei mitnehmen. Da kann sie gleich allen den ganzen Fischereihof zeigen und außerdem: Viele Augen sehen mehr. Bestimmt wird sich dabei auch die Lupe wiederfinden.

Franzi beginnt ihre Suche im Wirtschaftsgebäude. Dort hängt nämlich meist ihr Rucksack in der Garderobe und vielleicht liegt die Lupe ja darin. Doch was ist das?! Heute hängen da gleich 4 Rucksäcke, und alle sehen genauso aus wie Franzis! Franzi schaut in allen Rucksäcken nach, doch in keinem ist eine Lupe. Stattdessen findet sie darin folgende Gegenstände:

1. Rucksack: ein Glas mit Regenwürmern
2. Rucksack: ein Fisch-Kochbuch
3. Rucksack: ein Fernglas
4. Rucksack: ein Fischmesser
Seltsam, was ist nur los heute?!

Weiter läuft sie zur Bushaltestelle. Hier saß sie gestern am Nachmittag, und hat die Wandergruppen beobachtet, die hier mit dem Bus ankamen. Vielleicht ist ihr ja die Lupe dabei aus der Tasche gerutscht?

Doch leider liegt sie nirgendwo und auch der Radfahrer, der ihr entgegenkommt, weiß nichts. Vor dem Räucherofen trifft Franzi den Räucher-Rudi. Wie immer erzählt er ihr davon, wie man am besten Fische räuchert. Franzi weiß es schon auswendig, aber sie hört brav zu, weil sie Rudi mag. Ob er wohl eine Lupe gesehen hat? Räucher-Rudi zeigt sich besorgt: „Lass nur deine Lupe nicht am Wasser liegen“, sagt er, „sonst kommt wieder der ...“ Hier spricht er nicht weiter und Franzi ist nun völlig aus dem Häuschen. Sie muss diese rätselhafte Lupe wiederfinden und ihr Geheimnis lüften!

Sie läuft schnell weiter zum Fischhälter. Sieht sie da nicht im Wasser etwas verdächtig glitzern? Aber nein, als sie näher kommt, erkennt sie es: Ein junger Karpfen schwimmt ganz nah unter der Wasseroberfläche.

Franzi geht weiter. Am Ufer eines Sees trifft sie auf eine Gruppe von Hobby-Ornithologen. Diese unterhalten sich gerade über die Wasservögel und Fisch-Räuber. Aber eine Lupe haben sie auch nicht gesehen. Trotzdem – einen Tipp geben sie ihr: Eine Lupe sieht man manchmal von Weitem blinken, wenn die Sonne auf das Glas fällt. Oh! Was war das? Tatsächlich blitzt auf der anderen Seeseite etwas auf. Franzis Lupe? Ein Ornithologe leiht Franzi sein Fernglas und was sieht sie da? Direkt auf dem Aussichtsturm gegenüber steht noch ein anderer Ornithologe mit noch einem Fernglas, das im Sonnenlicht gerade hell aufblinkt.

Enttäuscht geht Franzi weiter, quer über die Wiese, wo sie am Waldrand ein Reh erblickt. Doch keine Spur von der Lupe! Im Wald begegnet ihr Förster Friedrich. Er hat die alte Lupe auch nicht gesehen. Doch mahnt er zur Vorsicht: Eine vergessene Lupe kann gerade im Wald großen Schaden anrichten! Wenn die Sonne in einem bestimmten Winkel darauf fällt, wird eine Lupe zum Brennglas. In ihrer Umgebung wird es dann so heiß, dass ein Feuer entstehen kann und jeder Waldbrand wäre ein riesiger Schaden für Pflanzen und Tiere! In der Heide- und Teichlandschaft gibt es eine große Artenvielfalt, weshalb es sogar zum UNESCO- Biosphärenreservat erklärt wurde. Alle Menschen müssen daher achtsam mit dieser Landschaft umgehen, damit sie erhalten bleibt. Franzi erschrickt: Sieht sie nicht dahinten große Qualmwolken zum Himmel steigen? Oh je! Und sie ist schuld! Doch der Förster lacht: "Nein, nein, Franzi! Das ist doch das Kraftwerk Boxberg etwa 50 Kilometer entfernt. Dort wird Braunkohle verbrannt und daraus Strom erzeugt. Was da so qualmt, das sind die Kühltürme." Puh, Franzi fällt ein Stein vom Herzen.

Doch nun muss sie weiter zum Fisch-Restaurant. Hier kocht ihr Lieblings-Koch Ferdinand Forell die schönsten Fisch-Gerichte und manchmal darf sich Franzi einfach so etwas aussuchen. Heute hat der Koch noch nicht so viele Gäste und kann sich etwas Zeit nehmen, um über die Geheimnisse der Fischküche und seine vielen netten Kollegen in der Region zu sprechen. Leider weiß er auch nicht, wo Franzi die Lupe gelassen hat. In der Küche jedenfalls nicht!

Und so läuft sie weiter und fragt die Leute, die gerade auf der Info-Tafel etwas lesen. Niemand weiß etwas. Auch nicht die Schulklasse, die heute einen Projekttag im Fischereihof macht. Da gibt es zwar auch einen Jungen mit einer Lupe, die aber ganz anders aussieht als die von Franzi. Aus den Augenwinkeln nimmt Franzi etwas Blinkendes auf einer Decke wahr, wo gerade eine Familie in der Sonne Picknick macht. Aber beim Näherkommen erkennt sie, dass es nur das silberne Papier von der Schokolade war, was da geleuchtet hat.

Dann erblickt Franzi zwei Angler in einem Boot. Auch die beiden haben die Lupe nicht gesehen und Franzi will sie lieber in Ruhe lassen. Angeln ist nämlich eine Wissenschaft für sich …

Schließlich steht sie vor dem Steg, auf dem Ranger Richy eine Familie in bunter Kleidung zur Teicherkundung begrüßt: „Dobry dźeń!“, sagt er und Franzi weiß: Das ist Sorbisch und heißt: „Guten Tag!“ Hier, in der Oberlausitz leben viele sorbische Menschen, die zwar deutsche Staatsbürger sind, aber eine ganz eigene Sprache sprechen. Die Kinder lernen in sorbisch-sprachigen Schulen und Kindergärten, es gibt sorbische Theater, und die Namen der Straßen und Orte stehen hier in deutsch und sorbisch auf den Schildern. Spannend! Franzi mag besonders die sorbische Kultur mit ihren Tänzen, Liedern und bunten Trachten, so wie sie diese Familie hier trägt. Sie will Richy nicht stören und so hört sie eine Weile zu, wie er über die Teichlandschaft und die Aufgaben eines Rangers spricht. Doch Richy hat an Franzis Gesicht bemerkt, dass etwas nicht stimmt und errät sofort den Grund: „Du suchst bestimmt mal wieder deine Lupe, Franzi, stimmt‘s? Weißt du was? Ich leihe dir mein Fernglas, denn bei der Teichführung brauche ich es nicht. So kannst du die ganze Gegend noch einmal mit dem Fernglas absuchen und schauen, ob deine Lupe irgendwo in der Sonne funkelt.“

Als Richy seinen Rucksack vom Rücken nimmt, stockt Franzi fast der Atem: Das gibt‘s doch nicht … das ist ja ... Rucksack Nummer 5! Richy langt hinein und was holt er heraus? Nicht sein Fernglas, sondern Opas alte Lupe! Alles war nur eine verrückte Verwechslung! Franzi ist so glücklich, dass sie Richy gleich um den Hals fällt. „Schon gut, schon gut!", sagt Richy, denn es ist ihm peinlich vor all den Leuten. Schnell ist alles aufgeklärt und Richy will nun wieder weitermachen. Schließlich lässt man seine Wandergruppe nicht warten! Und auch Franzi muss nun weiter – zu Opa Frank!

Franzi ist so aufgewühlt und erleichtert, dass sie beschließt, Opa Frank die ganze Geschichte zu erzählen. Es ist ihr alles sehr unangenehm und sie entschuldigt sich auch dafür. Trotzdem ist Opa Frank zuerst ziemlich ärgerlich, denn was Franzi getan hat, war einfach nicht in Ordnung! Außerdem hätte die Lupe wirklich weg sein können! Ein uraltes Erbstück! Doch weil er ein großes Herz hat, kann er auch Franzis Neugier verstehen. So verzeiht er ihr schließlich und fasst im Stillen einen Beschluss: Heute Abend wird er seiner Enkelin die alte Geschichte erzählen und Franzi in das Geheimnis einweihen. Sicher wird sie dann endlich verstehen, wie kostbar seine Lupe ist und sie nicht mehr mit ans Wasser nehmen.

Über die 5 gleichen Rucksäcke muss er schmunzeln. Er hätte es wissen können, denn schließlich hat er die Rucksäcke selbst für seine Mitarbeiter besorgt – mit dem Logo des Fischereihofs! Doch wem gehören wohl die anderen 4? Könnt ihr es erraten? Während Opa und Franzi so sitzen und reden, hören sie ein lautes Jubeln vom gegenüberliegenden Teich, wo gerade eine Gruppe von Leuten mit dem Abfischen beschäftigt ist. Das Abfischen während der Lausitzer Fischwochen ist wie immer ein richtiges Fest und so tauchen Opa Frank und Franzi erst nochmal ein in das bunte Treiben. Opa staunt, wie gut Franzi den Gästen schon erklären kann, was es mit dem Abfischen auf sich hat. Abends dann, als Franzi im Bett liegt, setzt sich Opa Frank zu ihr und beginnt:

„Weißt du, Franzi, dieser Tag hat mir gezeigt, dass du schon ein großes Mädchen geworden bist und viele Dinge verstehst. Du hast einen Fehler gemacht, doch du warst so ehrlich, ihn zuzugeben. Deshalb verzeihe ich dir und will dir nun endlich die Geschichte über die alte Lupe erzählen, von der ich selbst nicht einmal weiß, ob sie wahr ist. Aber ich habe sie von meinem Großvater erfahren, und der wiederum hat sie von seinem und der von seinem und so weiter. Einer dieser Vorfahren soll auf folgende Weise in den Besitz der Lupe gelangt sein ...

 

Es war zu einer Zeit, vielleicht vor 600 Jahren, als die Teiche dieser Region einem reichen Mann gehörten, der zusammen mit seinen beiden Söhnen auf einem Rittergut lebte. Wenn es im Dorfkrug einen Tanzabend gab, wollten auch die beiden Söhne des Reichen dabei sein, um dort mit den hübschen Mädchen des Dorfes zu tanzen. Eines Abends hatten sie sich mit zwei wahren Schönheiten zusammengetan und die Burschen fragten sie, wer sie seien und woher sie kämen. Doch die Mädchen wollten es ihnen nicht erzählen. Als die Uhr 10 schlug, sprangen die Schönen auf, um zu gehen, doch die Burschen hinderten sie daran.

Als der Tanzabend endlich nach Mitternacht vorbei war, rannten die Mädchen aus dem Saal. Die Burschen folgten ihnen und was sahen sie? Die Säume der langen Röcke ihrer Angebeteten trieften vor Wasser und hinterließen auf den Steinen des Saals eine nasse Spur. Wie sie nun den Weg zum Teich einschlugen, ahnten es die Burschen: Es waren die Töchter von Nix, dem Wassermann!

Am Teich schlugen die Mädchen mit einer Gerte auf das Wasser. Da öffnete sich ein grün bewachsener Weg in den Teich hinein, wo das Zuhause der beiden war. Die beiden jungen Männer saßen hinter einem Busch und hörten, wie die eine zur anderen sagte: „Ich habe solche Angst! Unser Vater wird sehr zornig sein, da wir solange fort waren!“ Da sprach die andere: „Wir werden es an den Blasen sehen. Steigen rote Blasen aus dem Wasser auf, dann wird es schlimm werden. Doch sind die Blasen weiß, so wird es gut.“ Sie warteten einen kurzen Moment und da sahen es auch die Burschen: Weiße Blasen stiegen vom Grunde des Teiches empor, was hieß, dass der Nix gute Laune hatte. Die Mädchen liefen hinein und waren bald nicht mehr zu sehen.

 

Dennoch kamen sie lange Zeit darauf nicht mehr zum Tanz und die beiden Burschen sehnten sich sehr nach ihnen. In ihrer Sorge versuchten sie, in das Wasser hineinzuschauen und weil das alles nicht so recht klappen wollte, kamen sie eines Tages mit einer Lupe zum Ufer. Sicher hatten sie diese im Schreibtisch ihres Vaters gefunden, denn eine Lupe besaßen damals nur die reichen Leute mit Bildung. Aber von Bildung konnte man wohl bei diesen einfältigen Burschen nicht sprechen, denn heute weiß ja jedes Kind, dass man mit einer Lupe nicht auf den Grund eines Gewässers schauen, sondern nur kleine Dinge besser sichtbar machen kann.

Dennoch saßen die beiden da und blickten durch die Lupe in das Wasser, als plötzlich hinter ihnen ein Männlein in einem roten Mäntelchen stand, was da rief: „Ha, da sind ja die Kerle, die meinen Töchtern auflauern! Kommt nur herein, in mein Reich, wenn ihr sie haben wollt, und haltet um ihre Hand an!“ Mit diesen Worten wollte er die Burschen in den Teich locken, doch diese bekamen es mit der Angst zu tun. So schnell sie konnten, rannten sie davon. Dabei hatte es der Nix – denn niemand anderer war dieses Männlein! – nur gut gemeint! Vor Schreck verlor der eine Bursche die Lupe am Ufer. Der Wassermann hob sie auf und schaute hindurch. Weil er jedoch nichts mit ihr anzufangen wusste, warf er sie in das Schilf.

Dort aber saß der Großvater des Großvaters des Großvaters des Großvaters des Großvaters … von meinem Großvater und hatte alles mit angesehen. Sobald der Nix wieder verschwunden war, nahm er die Lupe an sich und seit dieser Zeit ist sie im Besitz unserer Familie. Nun weißt du alles, was ich weiß, liebe Franzi. Ob die Geschichte wahr ist, kann ich dir nicht sagen. Doch noch heute erzählen die Menschen hier einander vom Nix, dem Wassermann, oder dem wódny muž, wie er auf Sorbisch heißt. Hier, in den Teichen, war er zu Hause oder ist es noch immer ...

Vielleicht verstehst du nun, Franzi, warum diese Lupe so einzigartig ist und passt von nun an immer gut auf sie auf. Ab jetzt soll sie nämlich dir gehören.“ Mit diesen Worten legte er Franzi die Lupe in ihre kleine Hand und sie beschließt, sie nie mehr aus den Augen zu lassen.

Lange noch liegt sie an diesem Abend wach und lauscht dem Quaken der Frösche. Als sie endlich in einen tiefen Schlaf fällt, verwandeln sich die Froschstimmen in den Gesang eines Wassermannes, der ihr heute Nacht einen wunderbaren Traum schenken wird.